RIDING THE LINE

Dies ist eine Geschichte( zu lesen in der Waves & Woods Ausgabe #31) über ein Fahrrad-Surf-Abenteuer entlang der Westküste Kaliforniens. Der Surfer David Economos und sein Freund und Fotograf Ryan Hill fahren vom Norden San Franciscos gen Süden in ihre Heimatstadt San Luis Obispo - mit Surfbrettern und all ihrem Camping-Gear im Anhänger auf der Suche nach Wellen und Freiheit... ein 400-Kilometer langer Trip in der Hoffnung, sich selbst und ihre Heimatküste ein wenig besser kennenzulernen.

 

Fotos: Ryan Hill

Text: Ryan Hill, basierend auf einem Interview mit David Economos

Schon seit einiger Zeit loderte in mir die Idee die kalifornische Küste mit dem Drahtesel zu erkunden. Mein Vater ist ein begeisterter Radler, schon solange ich denken kann, und in meiner Kindheit habe ich seine Leidenschaft dazu manchmal sogar als ein bisschen verrückt empfunden. Doch als er in den letzten Jahren auch für das Bikepacking brannte, kam mir eine Idee.

 Wie viele von euch, so habe auch ich die meiste Zeit meines Lebens damit verbracht, Wellen zu suchen. Und ich muss sagen, ich hatte eine verdammt gute Zeit dabei. In den ersten Jahren war ich vor allem in meiner Heimat Kalifornien unterwegs, aber dann, seit letzter Zeit immer häufiger im Ausland. Ich war süchtig nach Reisen. Das Gefühl, das man hat, wenn man in ein neues Land kommt, in dem alles aufregend und unbeschwert ist; das Gefühl, das man hat, wenn man in ein Flugzeug steigt und seine Sorgen hinter sich lässt. Doch irgendwann merkte ich, dass mir dabei etwas fehlte. In zwei Wochen kann man nicht viel über einen Ort lernen, vor allem wenn man nur surfen will. Mir war diese Reiserei zu schnelllebig. Und das wollte ich ändern. Also konzentrierte ich mich wieder auf meine Heimat. Und daher kam mir die Idee zu dieser Reise. Ich wollte wieder einmal das Gefühl haben, unterwegs zu sein, aber nicht den ganzen Tag im Flugzeug oder Auto sitzen zu müssen. Ich wollte meine eigene Heimat mit allem, was sie zu bieten hat, erleben. Es auf eine Art und Weise zu genießen, wie nie zuvor, nachdem ich es jahrelang an mir vorbeifliegen und als selbstverständlich ansah.

 Und so ölten wir nochmals die Ketten unserer Bikes, packten den Anhänger voll und machten uns auf den Weg.

 Der späte Morgennebel hing noch über der Golden Gate, als sich die Küste vor uns entfaltete wie die Anfangssequenz eines spannenden Thrillers. Die sanften Hügel, über die wir parallel zur Küste führen, waren mit staubigem lila Heidekraut bedeckt. Die zotteligen, abblätternden Eukalyptusbäume wiegten sich in der Brise, und der dunkelgraue Pazifik zeigte sich uns langsam und bedächtig. Ein schlafender Riese, der seine Wellen an die Srände warf.

 Die Freude lag bei diesem Trip in den einfachsten Dingen, denn unsere tägliche Routine war auf das Wesentliche reduziert. Wir traten in die Pedale, konzentrierten uns auf die Anhöhe und atmeten. Der Kaffee am Morgen und der Zeltaufbau am Abend wurden zur Routine. Ein Schluck Whisky brachte unser Inneres zum Glühen und unsere Gedanken zum Tanzen. Ein Abendessen aus erstklassigen Fünf-Minuten-Terrinen und übrig gebliebenen Tankstellenresten erfüllte alle Erwartungen für solch einen Camping-Trip. Wir hatten unseren Rhythmus gefunden und liebten jede Sekunde des Tages.

 Ich merkte irgendwann, dass man beim Radfahren eine ganz andere Verbindung zu den Dingen bekommt. Man nimmt die Veränderungen des Wetters, der Landschaft und sogar die Wellen besser wahr. Man bekommt ein besseres Verständnis für die Umwelt, weil man nicht in der kleinen Kapsel von der Außenwelt abgeschnitten dahinrast, und man sich jeden Kilometer, den man zurücklegt, verdient und miterlebt hat.

Auf dem langsamen Weg gen Süden saugten wir die Umgebung in uns auf. Wir fuhren um Spinnen herum, die die Straße kreuzten, wir beobachteten, wie Schmetterlinge neben uns flatterten. Wir lachten, als sich Touristen wütend entlang des Highway eins drängten, um Selfies zu machen, und wir jubelten, als sie abends abzogen und uns in goldenem Licht alleine an den Stränden zurückließen.

 Wir bedankten uns täglich beim Wellengott für die durchschnittliche Brandung und feierten das durchschnittliche Essen und jeden einzelnen Kilometer dieser unvergesslichen Tage. Während der gesamten Reise grüßte uns fast jeder, der uns begegnete, reichte uns Limonaden aus Kühlboxen von der Pick-Up Ladefläche und klopfte uns auf die Schultern, um uns zu wünschen, dass wir heile und sicher nach Hause kommen würden.

Wir merkten auch, dass man nicht viel braucht, um Glücklich zu sein. All der materielle Kram, der zu Hause in den Regalen zu staubt, all die kleinen und großen Sorgen über dies und das. Nichts davon ist so wichtig, dass es dich davon abhalten sollte, dein Ding zu machen. Und wenn es dein Traum ist, mit dem Bike auf ein Surftrip zu gehen, dann so what! Go and Ride the Line!

 

 

TAG 1: 64 KILOMETER, 2 SURFEN

TAG 2: 56 KILOMETER, 1 SURFEN

TAG 3: 40 KILOMETER, 0 SURFEN

TAG 4: 104 KILOMETER, 0 SURFEN

TAG 5: 56 KILOMETER, 1 SURFEN

TAG 6: 80 KILOMETER, 2 SURFEN

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